Demokratiegeschichten

Umsonst gekämpft oder die Geschichte geprägt? Franz Heinrich Zitz

Franz Heinrich Zitz steht für ein Leben für demokratische Werte, Rechtsstaat und soziale Gerechtigkeit. Vor rund 200 Jahren wurde erstmals dafür gekämpft und damit die Grundlage für unsere Demokratie heute geschaffen. Aber wie ist es möglich, dass so viele Menschen das Interesse an der Politik verlieren, der sie ihre Freiheiten und Rechte zu verdanken haben? Brauchen wir wieder mehr „radikale Demokraten“ wie Franz Zitz, die progressiv in die Zukunft schauen und dementsprechend mutig handeln?

In der Nationalversammlung 1848/49 trafen Positionen aufeinander, die nur schwer miteinander vereinbar waren. Auf der einen Seite reaktionäre Monarchisten, deren Ziel die Erhaltung des bestehenden Systems war und auf der anderen Seite die radikalen Demokraten, die eine Republik ohne Privilegien forderten. Zu dieser Gruppe zählte Franz Heinrich Zitz.

Zitz wurde 1803 als Sohn des Weinhändlers Franz Ferdinand Zitz geboren. Nach seinem Jurastudium und der Promotion war er zunächst als Rechtsanwalt in Mainz tätig. Ab 1837 war Franz Zitz für einige Jahre mit der Schriftstellerin Kathinka Zitz-Halein verheiratet. Sie vertrat die Position der damaligen Linken und war besonders progressiv und modern. 1843 und 1844 wurde Zitz Präsident des Mainzer Karnevalsverein, was ihm eine erste Bühne für politische Diskussionen lieferte.

Einzug des Vorparlaments in die Paulskirche am 21. März 1848, Frankfurt am Main. Quelle: Jean Ventadour, gemeinfrei

Als Führer der Mainzer Linken war Franz Zitz 1848/49 Abgeordneter des Vorparlaments und der Nationalversammlung. In der Paulskirche gehörte er erst dem „Deutschen Hof“, der demokratisch linken Fraktion, und später dem „Donnersberg“, der radikal (demokratischen) Fraktion an. Zum Schluss wollte sich Zitz von den radikal Linken abspalten. Nachdem die Revolution gescheitert war, floh Zitz über die Schweiz in die USA, und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Vom Karneval in die Politik

Franz Zitzs Karriere als Politiker begann im Karnevalsverein. Er prägte den Verein politisch und schuf mit ihm einen Raum für Diskussionen mit beachtlicher Reichweite. Aufgrund seiner direkten und an manchen Stellen vielleicht fast schon zu radikalen Art und seiner überzeugenden Redekraft, schaffte er es, die Menschen von seinen politischen Ansichten zu überzeugen.

Mainz war zu dem Zeitpunkt Provinzialhauptstadt des Großherzogtums Hessen und ein politisches Zentrum. Demzufolge wurden die 1832 und 1834 vom Deutschen Bund verabschiedeten Gesetzte, die die Meinungs-, Vereinigungs-, und Versammlungsfreiheit einschränkten, hier besonders konsequent durchgesetzt und kontrolliert. Das kam Zitz zwar denkbar ungelegen, hielt ihn jedoch nicht von weiteren provokanten und revolutionären Gedanken und Ansichten ab. Denn Zitz war kein zurückhaltender Zeitgenosse: Eine Karikatur von 1848 zeigt Zitz als „wütenden Stier, der mit Zorn und Eifer“, der auf einen äußerst rechten Abgeordneten losstürmt.

Karikatur auf Felix Fürst von Lichnowski und Franz Heinrich Zitz als Abgeordnete der Nationalversammlung, Lithographie von Gerhard Malß, 1848. Quelle: Wien Museum, CC0 1.0

Seine Ziele und sein Einsatz waren groß, aber war das Ergebnis ebenso bedeutsam? Zitz wollte eine Republik, in der Bürgerrechte sowie die Volkssouveränität die wichtigsten Grundsätze darstellten. Für ihn war das Prinzip des Adels und dessen naturgegebenen Rechte und Machtansprüche veraltet. Es widerstrebte seinem Verständnis von Gerechtigkeit. Bürger sollten unabhängig von finanziellen Gegebenheiten und Prestige den selben Einfluss und dieselbe politische Mitbestimmung haben können.

Revolutionäre Ansichten

Eine solche äußerst fortschrittliche Republik sollte in Deutschland herrschen. Für ihre Durchsetzung sahen radikale Demokraten wie Zitz, nur eine Möglichkeit: eine Revolution. Während die rechts und in der Mitte angesiedelten Abgeordneten durchaus noch Gemeinsamkeiten zwischen ihrer „neuen Ordnung“, die die Paulskirchenversammlung zu erarbeiten versuchte, und der ehemaligen Alleinherrschaft der Monarchen finden konnten, fehlte es den radikalen Linken am Fundament für eine Republik.

Um eben diese Basis selbst neu schaffen zu können, sollte die aristokratische Grundlage mithilfe von einer militärisch organisierten Revolution abgeschafft werden. Ihre grundsätzliche Einstellung war dementsprechend weniger auf Kompromisse fokussiert, sondern vielmehr auf die Durchsetzung ihrer Ansichten.

Ein Beispiel hierfür ist, wie Zitz die Nationalversammlung verlässt, nachdem sie beschlossen hatte, dem Preußischen König die Deutsche Kaiserkrone anzubieten. Franz Zitz wollte nicht akzeptieren, was demokratisch abgestimmt worden war. Hier widersprach sich seine politische Einstellung mit der praktischen.

Darüber hinaus war seine Auffassung von der Freiheit so weitreichend, dass eine Über- beziehungsweise Unterordnung mancher Bürger über andere ausgeschlossen war. Am 8. März 1848 soll Franz Zitz wie folgt zum Schwur auf die Freiheit aufgefordert haben:

„Mitbürger! Der Untertan schwört Treue seinem Fürsten und dem Gesetze, der Soldat schwört auf seine Fahne, der freie deutsche Mann schwört auf die Freiheit, diese leuchtende Standarte der Völker! (…) Beugt das Knie und schwört alle: Wir schwören für die Freiheit zu leben und zu sterben!“

Damit war einerseits der Kontrast zwischen den alten hierarchischen Verhältnissen und der modernen Lebensweise als freies unverbindliches Individuum gelegt, andererseits appellierte Zitz hier aktiv an den Kampfgeist und die revolutionären Seiten eines jeden Menschen. Freiheit kommt nicht aus dem Nichts. Es muss dafür gekämpft werden, und das mit vollstem Einsatz. Denn Freiheit ist das ultimative Ziel der Gesellschaft.

Sitzungsaal der Frankfurter Nationalversammlung, Lithographie von Eduard Gustav May. Quelle: Wien Museum, CC0 1.0

Alles nur Illusion?

Zitz floh nach Amerika. Seine Flucht konnte hier nur schwer etwas mit Inkonsequenz und Schwäche zu tun haben. Nach der Amnestie seines Urteils kam er zurück und ging nach München, wo er teilweise an die Jahre vor und während der Revolution anknüpfen konnte. Dies geschah nach der gescheiterten Revolution, als die Monarchen wieder die Macht erlangten. Menschen wie Zitz waren unglaublich enttäuscht und konnten ihre Vorstellungen nur noch als utopisch ansehen.

Diese Sehnsucht ist vermutlich auch das, was den Antrieb und die starke Motivation in Zitz geweckt hat, viel zu bewirken. Wie kann ein Mensch beispielsweise Sehnsucht nach Freiheit haben, wenn er in Freiheit lebt? Genau dies aber lässt Menschen passiv werden und die Gemütlichkeit macht sich dann breit, wenn man die Erinnerung an einen Zustand der Unfreiheit verloren hat.

Heute haben wir, zumindest in Deutschland, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht. Uns sind auch durch das Grundgesetz Freiheiten in Wort und Schrift gesichert. Wofür brauchen wir dann überhaupt zu kämpfen? Demokratie lebt von Kritik, um das optimale Wohl aller zu garantieren. Geht dieser Diskurs verloren, bleibt auch unsere Demokratie auf der Strecke.

Eine Auseinandersetzung, wie sie sich 1848 Zitz und viele seiner Zeitgenossen gewünscht hätten, darf ihren Wert nicht verlieren. Allein weil es hauptsächlich der jungen Generation als naturgegeben erscheint, sollten uns unsere Privilegien weiter bewusst sein. Heute wie damals und wie vermutlich immer braucht es Menschen, die Kritik üben und die Geschichte in politische Diskurse einbezieht, dennoch aber nicht an Progressivität verlieren.

Die Autorinnen: Jule Bokelmann und Luisa Furthmann, Geschichte LK/Q2, Anna-Schmidt-Schule Frankfurt am Main

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts „Geist der Freiheit“. Es hat Akteur*innen verschiedener Bereiche in der Rhein-Main-Region eingeladen, an einer Zeitung zum Revolutionsjubiläum 1848/49 mitzuwirken. Sie berichten über Orte, Ereignisse und Personen der Zeit und fragen, was uns die Revolution auch nach 175 Jahren heute angeht. Acht Beiträge von Schüler:innen der Anna-Schmidt-Schule erscheinen in Kooperation mit Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. vorab auf dem Blog „Demokratiegeschichten“. Das „Extrablatt im Geist der Freiheit“ ist kostenfrei bei der KulturRegion FrankfurtRheinMain erhältlich. Weitere Informationen finden Sie hier.

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