Demokratiegeschichten

Die Unantastbare Menschenwürde

Vor zwei Jahren nahmen wir an einer Blogparade zum Thema Grundgesetz teil. Anlass war damals dessen 50. Geburtstag. Letztes Jahr ging durch den Pandemietrubel einiges durcheinander. Das Grundgesetz rutschte als Thema quasi durch. Dieses Jahr beschäftige ich mich deshalb mit einem Artikel, der immer bestehen bleiben wird: Artikel 1 legt die Menschenwürde als unantastbar fest.

Artikel 1 im Wortlaut

1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Ein Satz, der auf der Zunge zergeht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Ich musste in der Schule nie Artikel auswendig lernen. Trotzdem ist Artikel 1(1) des Grundgesetzes einer der wenigen, die ich selbst im Schlaf noch aufsagen könnte. Einer der anderen wäre beispielsweise Artikel 3(2): „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Was ist Menschenwürde?

Sehr viel Wertvolles lässt sich aus Artikel 1 des Grundgesetzes ziehen. Etwa das Bekenntnis zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten“. Diese wurden nur ein Jahr vor Beschluss des Grundgesetzes erstmals in der UN-Menschenrechtscharta festgehalten.

Für heute soll aber die Frage danach, was Menschenwürde eigentlich ist, reichen.

Menschenwürde, das ist der Wert, den alle Menschen haben. Unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht, Alter, ihrer Tätigkeit oder ähnlichem. Menschen haben immer einen Wert, egal, wer sie sind und was sie tun. Einfach nur, weil sie Menschen sind. Das unterscheidet sie zum Beispiel von einem Stuhl, der, wenn er ein Bein oder seine Lehne, auch seinen Wert verliert.

Der Philosoph, der den Begriff der Menschenwürde definierte, war Immanuel Kant. Als Aufklärer entwarf er u.a. das Prinzip des Universalismus. Damit ist die Gleichheit der Menschen und der Menschenwürde gemeint. Paradoxerweise ist gerade Kant in letzter Zeit in Kritik geraten. Insbesondere in seinem Frühwerk lassen sich die rassistischen Konzepte seiner Zeit wiederfinden.

Nun aber zum Unantastbaren. Unantastbar bedeutet, dass die Würde oder auch der Wert der Menschen auf keinen Fall verletzt werden darf. Ausdrücklich spricht das Grundgesetz von Menschen, nicht von Deutschen.

Und es geht noch weiter. Denn es formuliert den Schutz der Menschenwürde als Auftrag des Staates aus. Die Menschenwürde, so scheint es, scheint den Müttern und Vätern des Grundgesetzes sehr wichtig gewesen zu sein.

Die Ewigkeitsklausel

Jedenfalls so wichtig, dass Artikel 1 in die Ewigkeitsklausel aufgenommen wurde. Die Ewigkeitsklausel, Artikel 79(3) des Grundgesetzes, legt fest, welche Artikel nie geändert werden dürfen. Zwei Artikel sind darin konkret genannt: 1 und 20.

Was bedeutet dies aber für die Menschen in Deutschland heute?

Tatsächlich ist das Beantworten dieser Frage gar nicht so einfach. Denn Menschenwürde ist im Grundgesetz nicht ausdefiniert. Ob zum Beispiel die Einschränkung des Rechts auf Teilhabe auf Grundlage der Menschenwürde stattfinden kann, ist umstritten.

Menschenwürde: Gar kein so einfaches Thema. Aber froh darüber, dass sie an so prominenter Stelle im Grundgesetz steht, bin ich doch.

Artikel Drucken
Markiert in:
Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

1 Kommentar

  1. Denis smailagic

    5. Februar 2023 - 18:05
    Antworten

    danke

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert